22.04 – 18.06.2023
Kuratorin: Lisa Rosendahl
Künstler:innen: Jakob Jakobsen, Åsa Sonjasdotter, Marcelina Wellmer
Der Begriff Monokultur wird häufig in der Landwirtschaft verwendet, wo er für groß angelegte Plantagen und die Standardisierung von Kulturen zur Maximierung von Erträgen und Gewinn steht. In der Ausstellung wird der Begriff verwendet, um auf einen umfassenderen kulturellen Zustand hinzuweisen, der mit aktuellen Sozial- und Umweltproblemen und verschiedenen Formen von Aussterben und Homogenisierung zusammenhängt. Die Ausstellung versammelt Werke von drei Künstlern, die alle die standardisierenden Auswirkungen der Massenproduktion hinterfragen – sei es in Bezug auf die Natur, die Kultur oder die menschliche Subjektivität. Die Werke thematisieren, wie produktivistische Vorstellungen, die sowohl auf den Menschen als auch auf die Erde angewandt werden, Traumata verursachen, und rufen zu Akten des Widerspruchs und der Heilung auf. Der Titel der Ausstellung, After Monoculture, bezieht sich sowohl auf das Leben im Gefolge der Ideale und Technologien der Monokultur als auch auf den Wunsch, dieses Paradigma zu überwinden.
Marcelina Wellmers Video Solid Landscapes (20 min Loop, 2022) ist ein Porträt einer scheinbar endlosen Industrielandschaft. Das Video beginnt im Norden Deutschlands, bei den riesigen Containerdepots, die Städte wie Berlin mit den globalen Versorgungsleitungen verbinden, wandert dann nach Norden zu schwedischen Eisenminen, in denen die Rohstoffe für die Herstellung von Konsumgütern abgebaut werden. Die Umgebungen, die die Kamera einfängt, sind unheimlich und menschenleer – ganz und gar von wirtschaftlichen Interessen und technologischen Fortschritten geprägt. Aus der Vogelperspektive wirft der Film die Frage auf, ob die Landschaften tatsächlich real sind oder eher Vorboten einer dystopischen Zukunft. Wellmer zeigt auch eine Reihe von digital manipulierten Fotoanimationen, Lost Landscapes (2023). Hier spiegeln sich die Logos von im Norden tätigen Rohstoffunternehmen, wie dem Energiekonzern Vattenfall und den Bergbauunternehmen LKAB und Kaunis Iron, in den von ihnen ausgebeuteten Landschaften. Die ikonischen Gebirgslandschaften, die oft als „Europas letzte Wildnis“ bezeichnet werden, zittern wie Fata Morganas und erscheinen wie leere Hüllen, von innen ausgehöhlt und dem Zusammenbruch nahe.
Åsa Sonjasdotters Dokumentarfilm Cultivating Abundance (60 Min., 2022) geht von der Erfindung einer modernen Methode zur Pflanzenzüchtung in Schweden in den frühen 1900er Jahren aus, die den Grundstein für die globale, monokulturelle Agrarindustrie legte, die wir heute sehen.
Der Film reflektiert die Folgen, die dieser methodische und ideologische Wandel für die menschlichen und nicht menschlichen Beziehungen hatte. Die an der Swedish Seed Association entwickelte Methode sollte sich transnational entscheidend auswirken und wurde als Beweis für patriarchalische und faschistische Ideale in Bezug auf „Natur“ und „Reinheit“ verwendet. Als Kontrapunkt verfolgt der Film die Bemühungen des Aktivisten und alternativen Pflanzenzüchters Hans Larsson, Getreidesorten zu rekultivieren, die mit der Einführung der monokulturellen Landwirtschaft aufgegeben wurden.
In Jakob Jakobsens Praxis wird psychische Gesundheit so verstanden, dass sie nicht nur unseren individuellen Körper, sondern die Gesellschaft als Ganzes betrifft. Das Krankenhaus für Selbstmedikation ist eine experimentelle Einrichtung, die mit kritischen Formen der Pflege und Therapie arbeitet. Das Projekt zielt darauf ab, die gewalttätigen Wurzeln und Praktiken des westlichen Gesundheitswesens offenzulegen und in Frage zu stellen, indem es dazu aufruft, der vom kapitalistischen System aufrechterhaltenen Spezialisierung und Trennung kollektive und alltägliche Formen entgegenzusetzen.
Mit dem Argument, dass auch das Kunstfeld von produktivistischen Vorstellungen und standardisierten Erwartungen bestimmt wird, trat Jakobsen 2021 von seiner Tätigkeit als bildender Künstler zurück. Die galerie weisser elefant zeigt eine Auswahl von Text- und Tonarbeiten, die bis zu seinem Rücktritt entstanden sind.
Die Arbeiten von Marcelina Wellmer entstanden im Rahmen des Künstleraufenthalts Lapland Air im Havremagasinet in Boden, Schweden, und wurden von Neustart Kultur unterstützt.
English Version
The term monoculture is commonly used within agriculture, where it signifies large scale plantations and the standardization of crops in order to maximize yields and profit. In the exhibition, the term is used to indicate a wider cultural condition, connected to current social- and environmental problems and different forms of extinction and homogenization. The exhibition brings together works by three artists who all question the standardizing effects of mass production–be it in relation to nature, culture or human subjectivity. The works address how productivist notions applied to both human and earth cause trauma, and call for acts of dissent and healing. The exhibition title, After Monoculture, refers both to life in the wake of the ideals and technologies of monoculture–and to the desire of moving beyond this paradigm.
Marcelina Wellmer’s video Solid Landscapes (20 min loop, 2022) is a portrait of a seemingly endless industrial landscape. The video begins in the north of Germany, at the vast freight container depots that connect cities like Berlin to global supply lines, then travels north towards the Swedish iron mines where the raw materials used to produce consumer goods are extracted. The environments caught by the camera, eerily devoid of people, are shaped entirely by economic concerns and technological advances. Using a bird’s eye perspective, the film leaves the viewer wondering if the landscapes are indeed real, or rather premonitions of a dystopian future. Wellmer also shows a series of digitally manipulated photographic animations, Lost Landscapes (2023), where the logos of extractive companies operating in the north, such as the energy company Vattenfall and mining companies LKAB and Kaunis Iron, are mirrored in the landscapes they exploit. Trembling like mirages, the iconic mountainscapes–often talked about as “Europe’s last wilderness”–appear to be mere empty shells, hollowed out from within and close to collapse.
Åsa Sonjasdotter’s documentary film Cultivating Abundance (60 min, 2022) departs from the invention in Sweden in the early 1900s of a modern method for plant breeding that lay the foundations of the global, monocultural agriculture industry that we see today. The film reflects on the consequences this methodological and ideological shift have had on human and more-than-human relations. The method developed at the Swedish Seed Association would come to have a decisive impact transnationally and was used as evidence to demonstrate patriarchal and fascist ideals regarding “nature” and “purity”. As a counterpoint, the film follows activist and alternative plant breeder Hans Larsson’s efforts to re-cultivate varieties of grain that were abandoned with the introduction of monocultural farming.
In Jakob Jakobsen’s practice, mental health is understood as involving not only our individual bodies, but society at large. The Hospital for Self Medication is an experimental institution that works with critical forms of care and therapy. The project aims to lay bare and challenge the violent roots and practices of western health care, calling for the specialization and separation sustained by the capitalist system to be countered by collective and everyday forms. Arguing that the art field is also defined by productivist notions and standardized expectations, Jakobsen resigned from being a visual artist in 2021. Galerie Weisser Elefant will show a selection of text- and sound pieces leading up to his resignation.