Der Ausstellungsbeginn am 6. März 2021 findet ganztägig im Monbijou-Park statt. Etwa 20 Arbeiten sind an den Bäumen rund um den Hügel im Park zu sehen. Die Galerie kann erst nach dem aktuellen Lockdown besucht werden. Die Ausstellung im Park sowie in der Galerie endet am 10. April 2021.
Im Augenblick der Ewigkeit
Nathanaël R. Bartholomäus
(For English version please see below)
„Als Gott nämlich sprach: Es werde Licht,
da entstand das Licht der Vernunft.“
Hildegard von Bingen
Die Künstlerin Paula Carralero Bierzyñska stammt, wie ihr vollständiger Name verrät, aus verschiedenen Kulturen. Sie lebt in Berlin. Studiert hat sie von 2013 bis 2019 an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und im Abschlussjahr den Mart-Stam-Förderpreis erhalten.
Der Begriff ‚Rescate‘ als Ausstellungstitel (engl. Rescue) hat im Spanischen die Bedeutung von Rettung, aber auch Lösegeld. Wir übertragen es als ERLÖSUNG, weil es in ihrer Arbeit tatsächlich um die Lösungen im Sinne von „Abtrennung“ aus der Natur, wie auch gleichzeitig um die Erlösung aus dieser widernatürlichen Position geht. Paula Carralero sucht nach der Verbindung zu ursprünglicher Natur, damit einer weiter reichenden Wahrnehmung unserer Existenz. Wie eine tatsächliche Offenbarung empfängt sie die Erkenntnis der Natur, entrückt und doch wahrhaftig. Sie vermittelt dies, indem sie sich eines optischen Tricks bedient: der Malerei auf transparentem Grund, bekannt als Hinterglasmalerei in sakralen Räumen.
Ihre Arbeitsgrundlagen sind verblüffend wie naheliegend zeitgemäß: Handy-Displays und Laptop-Bildschirme. In diese malt sie Motive von Bäumen und Gräsern, flüchtig wie Schatten und luftiges Wehen. Ihr Blick fängt das Licht auf und webt es zu Bildern, entlässt sie in ein freies Schweben. Die Motive ändern sich mit der Bewegung. Die glatten Oberflächen irritieren und lassen neue Ansichten aufblitzen. Man sieht förmlich, dass Wirklichkeit abgeleitet ist von wirken. Wie in einem Spiegel, der sich selbst reflektiert, öffnet sich ein Raum ohne Schatten, greift in grenzenlose Leere.
Die Materialität der Welt beruht faktisch nur darauf, dass wir ihre feinstofflichen Strukturen nicht wahrnehmen. In diesen Bildern aber scheint es, als würden die Fugen des immateriell Konkreten zwischen den Gegen/ständen sichtbar, in der Erkenntnis der Quanten-Philosophie, dass Materie im Prinzip aus dem gleichen Stoff besteht wie unsere Vorstellungen. Unsere Künstlerin sieht den Dingen dabei nicht „auf den Grund“, sondern in die energetischen Felder, die alles durchdringen und bewegen. Ihre Sinne sind dazu tief und sensibel verbunden mit allem was wächst. Schon sprichwörtlich direkt ist sie bemüht, den Durchblick zu finden und weiter zu führen, als persönliche Erfahrung im Sein selbst.
Und zugleich aktualisiert sich in dieser Arbeit kontinuierlich die Zeit, die nicht etwa relativ ist, weil sie mal langsamer oder schneller vergeht, sondern darin, dass sie überhaupt nicht „vergeht“, sondern unermüdlich weiterwirkt, Spuren trägt und Ideen vermittelt, Erkenntnisse säet und reifen lässt. „Panta rheï“ heißt doch nicht nur, dass alles in der Zeit fließt, das wäre banal, sondern dass sich überhaupt nichts anders als im Lauf der Zeit bewegt. Gerade jetzt ist alles universell fließend verbunden und bleibt es auch in alle Ewigkeit. Realität ist eben dieses in sich dynamische Jetzt, vollkommen.
Die Künstlerin nimmt dies wörtlich, indem sie versteinerte Organismen so selbstverständlich in ihre Visionen aufnimmt wie aktuell im Wind wehende Äste und Blätter. Vor allem aber das ewige Licht ist ihr großes Thema, das von Anbeginn an das irdische Leben erzeugt und damit allen Reichtum, an dem wir uns wärmen, nähren und wachsen. So fügt diese Arbeit zu ihrem beinahe trivialen Geflecht aus Zweigen, flüchtigen Schatten und zeitlosen Fossilien eine neue Dimension, eine Zeitlosigkeit der Vernunft. Indem sie sich selbst diesen Weg erschlossen hat, kann die Künstlerin neue Motive schaffen oder empfangen wie eine reiche Ernte: Vielleicht in einem Augenblick der Ewigkeit. Vielleicht sofort, für alle Zeit. Mit einem Innesein, das kein Stillestehen ist… Eine schöne und anspruchsvolle Arbeit, aus der ihr eigenes Wesen strahlt.
Einen Teil der Arbeiten an Bäumen im Monbijou-Park auszustellen, ergibt sich so natürlich, wie mit Vögeln, die wieder freigelassen werden.
„Ich flamme über die Schönheit der Fluren, leuchte in den Wassern.“
(Hildegard von Bingen)
[EN]
At the moment of eternity
Nathanaël R. Bartholomäus
„For when God said, Let there be light,
there arose the light of reason.“
Hildegard von Bingen
The artist Paula Carralero Bierzyñska, as her full name indicates, comes from different cultures. She lives in Berlin. She studied at the Kunsthochschule Berlin-Weißensee from 2013 to 2019 and received the Mart Stam Förderpreis in her final year.
The title of the exhibition, the term “Rescate”, means “rescue” in Spanish, but also “ransom”. We translate it as REDEMPTION, as her work is both about providing solutions in the sense of detaching from nature, as well as redeeming from this unnatural position. Paula Carralero seeks a connection with primal nature, and with it a further-reaching perception of our existence. Like in an actual revelation, she welcomes the awareness of nature, enraptured and yet true. She conveys this by employing an optical trick: she uses a transparent base for her paintings, a technique known as “painting behind glass” in sacred spaces.
Her bases are startlingly and obviously contemporary: mobile phone displays and laptop screens. On these she paints motifs of trees and greenery, fleeting as shadows or as a lofty breeze. Her gaze catches the light and weaves it into images, which she releases into free fall. The motifs change with the movement. The smooth surfaces are irksome and allow new images to flare up. It is positively visible that reality is derived from action. Like in a mirror that reflects itself a space without shadows opens up, reaching into boundless emptiness.
The materiality of the world is in fact only based on the fact that we do not perceive its ethereal structures. In these pictures, however, it seems as if the interstices of the immaterial concreteness between the objects becomes visible, hereby acknowledging quantum philosophy which states that matter is basically made of the same material as our ideas. Our artist does not intend to “get to the bottom” of things, but rather brings things into the energetic fields that permeate and move everything. Her senses are hereby deeply and delicately connected with everything that grows. Proverbially direct, she strives to find “an insight” and to carry it further as a personal experience of being.
At the same time, time is continuously updated in this work: it is not considered relative, in the sense of sometimes passing more slowly or more quickly, but rather it seems to not “pass” at all, continuing to work tirelessly, bearing traces and conveying ideas, sowing insights and allowing them to mature. “Panta rheï” doesn’t just mean that everything flows in time, that would be banal. Rather, nothing moves at all other than in the course of time. Especially now, when everything is universally, fluidly connected and will remain so for all eternity. Reality exists simply and entirely in the dynamism of “the now”.
The artist takes this literally by including fossilised organisms in her visions as naturally as branches and leaves blowing in the wind. Above all, however, her central theme is the eternal light, which from the very beginning creates earthly life and with it all the wealth with which we warm ourselves, nourish ourselves and grow. Thus this work adds a new dimension, a timelessness of reason, to her almost trivial weave of twigs, fleeting shadows and timeless fossils. By opening up this path for herself, the artist can create or receive new motifs like a rich harvest: perhaps in a moment of eternity. Perhaps now, for all time. With an inwardness that is not stillness… A beautiful and demanding work from which her own being radiates.
It is just as natural to exhibit some of the works on trees in the Monbijou Park as it is to free birds.
“I blaze at the beauty of the meadows, the shine in the waters.”
(Hildegard von Bingen)