8. 10. – 15. 11. 2014 Lene Münch – Punktum
Von hier nach ebenso
Lene Münch folgt man wie ein Fremder auf ausgetretenen Pfaden. Unklar bleibt, wer sie angelegt hat und wohin sie führen. Gewiss ist nur: man ist hier, genau wieder hier, wohin man nie wollte und doch immer kommt. Oft fühlt man sich wie in einem Traum, aus dem man bald erwachen möchte, um dann zu begreifen, dass dies schon geschehen ist. Die Geburt ist erfolgt. Das Ergebnis gleicht einer postnatalen Depression.
Man kennt die Aussage des Roland Barthes, ein gutes Foto müsse neben der Wahrnehmung des Motivs (dem „studium“) einen gewissen Stich haben, das „punktum“, den Moment des überraschten Staunens. Dies zeigt sich bei Lene Münch kategorisch und sogar wörtlich mit dem, was wir auch im Deutschen Punktum nennen. Es ist immer der Hinweis auf etwas Offensichtliches, die Evidenz des Moments, die nur übersehen werden konnte, weil sie uns direkt vor der Nase liegt.
Ihre Themen können wechseln; aber immer bleibt das Unheimliche spürbar, das aus dem absurden Umfeld sich nährt, wie den Albernheiten bürokratischer Strukturen oder der organisierten Freizeit in einer frappierend sterilen Zone wie dem Tropical Island. Vielleicht haben wir hier das Verbindende ihrer Bilderwelten: das offensichtlich Künstliche, das sich als Wirklichkeit ausgibt – oder umgekehrt einer Wirklichkeit gleicht, die absolut künstlich und somit falsch erscheint.
Jedenfalls fesseln uns diese Fotos zugleich durch all das, was sie enthüllen und verbergen. Man möchte sie gern als exotisch aussortieren, um dann wieder begreifen oder zugeben zu müssen, dass sie allein unsere Existenz betreffen: das sind wir in aller Regel selbst, auf die wir mit den Fingern zeigen. Somit kann diese Arbeit womöglich dafür sorgen, dass wir etwas vernünftiger werden, weil wir uns wie mit Spiegeln umzingelt finden. Vielleicht werden wir gar etwas wacher – im Rahmen des Möglichen, natürlich.
Ralf Bartholomäus